Die technologischen Innovationen der letzten Jahre haben auch die Diskussion um den fremdsprachlichen Unterricht sehr stark belebt. Das Fremdsprachenlernen hat durch die Entwicklung der neuen Medien entscheidende Impulse erhalten, die die Grenzen des traditionellen Sprachunterrichts aufheben. Computernetzwerke wie z. B. das Internet fügen dem dem orts- und zeitunabhängigen Lernen am Einzelplatzcomputer zahlreiche Möglichkeiten der zwischenmenschlichen Kommunikation und Kooperation hinzu (vgl. Döring 1997: Kap. 1.1). Diese kommunikative Komponente bedeutete für das computerunterstützte Fremdsprachenlernen einen riesigen Qualitätssprung, der ihm neue Dimensionen eröffnet hat. Zunehmend wird das Internet als Sprachlernraum genutzt, denn die vielfältigen Möglichkeiten der Stoffpräsentation für Online-Kursmaterialien durch Hypertext, Multimedia, interaktive Übungsaufgaben und Simulationen lassen sich zudem mit asynchronen und synchronen Kommunikationsmöglichkeiten anreichern, so dass auch über geographische Distanzen hinweg eine Art Klassenraum-Situation entstehen kann.
Neben der Frage, wie sich Lehrende und Lernende in fremdsprachlichen Lehr-und Lernprozessen der neuen Medien bedienen, hat auch die Diskussion um das autonome Lernen zu einer Neubewertung des Selbstlernens geführt, sowohl was die Gestaltung von Selbstlernmaterialien betrifft als auch die angeblich finanziell attraktive Ersetzung von Lehrende-Lernende-Interaktionen durch Selbstlernen (Tamme/Rösler 1999: 96. Vgl. hier auch Döring 1997, Mittrach 1999).
Die anfängliche Hoffnung, die Kosten des Sprachunterrichtes mithilfe des Einsatzes der neuen Medien zu senken, indem sukzessive auf Lehrende verzichtet werden könne, ist mittlerweile von Erfahrungen aus verschiedenen auf mutimedialer Basis durchgeführten Sprachkursen widerlegt worden, da solche Kurse keineswegs Arbeit und Kosten reduzieren, sondern wie J. Jänen feststellt:
"Meine Erfahrung geht eher in die andere Richtung: größerer Arbeitseinsatz wegen der individuellen Betreuung der Schüler, die Schüler produzieren mehr Texte, d. h. mehr Korrekturen usw. usw. " (Jänen 1998: ohne Seitenangabe).
Seitdem das Internet in den 90-er Jahren seinen Eingang in den Sprachunterricht gefunden hat, wird es vor allem für Rechercheaufgaben, für das Publizieren von Texten, für die Arbeit an aktuellem und authentischem Sprachmaterial in der Zielsprache, für Hörübungen durch authentische Tondokumente, Grammatikarbeit, Wörterbucharbeit mit online-Wörterbüchern, für die Arbeit an interaktiven Übungen und an Drillübungen genutzt (Rösler 2000: 3). Als Informationsquelle für Lernende und Lehrende kann das Internet zudem bei ungünstigen geographischen und ökonomischen Ausgangsbedingungen den zielsprachlichen Input anreichern. Gerade eine der vielversprechendsten Dimensionen des Internets für den Fremdsprachenunterricht - nämlich authentische Kommunikation zu ermöglichen - macht sich der Fremdsprachenunterricht zunehmend zunutze. Der Einsatz von E-Mail, die Arbeit in "Newsgruppen" und in Chaträumen, Videokonferenzen und Online-Kurse haben es ermöglicht, der zielsprachlichen Kultur auch außerhalb des sich nicht im Zielsprachenlandes befindlichen Klassenzimmers zu begegnen. Nun muss überprüft werden, wie sie die Entwicklung der kommunikativen Fähigkeiten in der Fremdsprache fördern. Auch im Deutsch als Fremdsprache-Unterricht [1] spielt der Einsatz des Internets mit seinen kommunikativen Komponenten zunehmend eine wichtige Rolle, wie Projektbeschreibungen der letzten Jahre belegen.
Seit Eva Breindls Zusammenstellung zu Sprachkursen und Sprachübungen für Deutsch als Fremdsprache, die im Internet präsentiert werden (Breindl 1997), hat das Angebot multimedial präsentierter Deutschsprachkurse stark zugenommen.
Allein die Übersicht des Goethe-Instituts (http://www.goethe.de/z/demindex.htm) benennt ca. 33 online-Angebote für Deutsch, wobei hierunter sowohl Grammatikübersichten, Ergänzungsmaterialien zu Printlehrwerken wie "Themen neu" u. a., Text-und Arbeitsblätter, eigenständige online-Kurse als auch ergänzende Internet-Übungen, die bestimmte sprachliche Fertigkeiten trainieren sollen, gezählt werden.
Zu den auf der Homepage des Goethe Institutes abrufbaren Kursen kommen etliche hinzu, die entweder privat von Sprachlehrern/innen im Internet zur Verfügung gestellt werden oder Kurse, die im Rahmen von Partnerschaften zwischen verschiedenen Ländern und Institutionen durchgeführt wurden.
Die vor allem von "Sprachpraktikern" erstellten Kurse demonstrieren z. T. auf sehr eindrucksvolle Weise, wie mithilfe des Mediums Internet an den verschiedenen Sprachfertigkeiten (abhängig vom technischen Standard) gearbeitet werden kann. Noch sind viele als Komplement zu Präsenzsprachkursen konzipiert, aber auch die Zahl online-präsentierter Vollkurse dürfte tendenziell steigen.
Als Beispiel mag hier der Deutschkurs "LernNetz Deutsch" (Jänen 1998) von Johannes Jänen in Schweden dienen, der sowohl als "reiner" internetgestützter DaF-Unterricht bei gänzlichem Verzicht auf traditionelle Lehrbucharbeit als auch als Komplement zur traditionellen Lehrbucharbeit durchgeführt werden kann.
Noch wird die Möglichkeit zur Echtzeitkommunikation in Online-Konferenzen wenig genutzt im DaF-Unterricht. Obwohl durch die Übermittlung der visuellen Dimension zusätzliche Lernpotentiale entstehen, werden Projekte dieser Art nur vereinzelt durchgeführt, da sie einen sehr hohen Vorbereitungs- und Betreuungsaufwand erfordern und infrastruktureller Mindestvoraussetzungen bedürfen (vgl. den Einsatz von Video und Videoconferencing, wie er von Schlickau 2000 beschrieben wird. Vgl auch Block 1999: Kap. 4.5.2).
Gute Erfahrungen hingegen existieren schon bei grenzüberschreitenden E-Mail- und Tandemprojekten (vgl. Legutke 2000, Block 1999, Bubenheimer 1997). Sie sind sowohl für individuelles Sprachenlernen sehr geeignet (wie bei Sprachtandems) als auch bei Klassenpartnerschaften und bieten zudem den Vorteil, tatsächlich den Prozess des autonomen Lernens zu unterstützen. Sie scheinen sich als Motivationsmotor zu bewähren, da sie in der Regel keine Simulationen darstellen, weil sie zwischen realen Korrespondenzpartnerinnen stattfinden. In ihnen lassen sich neben dem fremdsprachlichen Lesen auch das Schreiben als Fremdsprachenerwerbsstrategie hervorragend anwenden, wie einige Schreibprojekte gezeigt haben (vgl. Steinig et al. 1999). Sie zeigen u. a., dass das Internet nicht nur authentische interkulturelle Kommunikation im fremdsprachlichen Diskurs ermöglicht sondern auch das Schreiben am PC schneller Überarbeitungsprozesse und selbstinitiierte Revisionen bei Fremdsprachenlernern in Gang setzt. So ist bei Schreibprojekten die Frage von Interesse, inwieweit das Bemühen um Mitteilung zur Verbesserung der sprachlichen Kompetenz beträgt (vgl. Legutke et al. 2000).
A. Block liefert mit der im Rahmen ihrer Magisterarbeit durchgeführte Online-Befragung von Projektleiter/innen für Deutsch als Fremdsprache, die bereits den Einsatz von Internet und/oder E-Mail im Fremdsprachenunterricht erprobt hatten, ein breites Bild für die Nutzung der neuen Medien für mögliche Projektformen im Fremdsprachenunterricht. So gab es neben bilateralen auch multilaterale Projekte zwischen DaF-Lernern verschiedener Länder, die veranschaulichten, welche grenzüberschreitende Wirkung das Internet haben kann. Noch war der vorherrschende Projekttyp die E-Mail-Partnerschaft, denn er scheint mit Lernern jeden Niveaus durchführbar zu sein. Chats hingegen wurden eher mit fortgeschrittenen Lernern durchgeführt.
Alle bisherigen Untersuchungen betonen den kommunikativen Mehrwert, den der Einsatz von E-Mail und das Kommunizieren in Chaträumen erzeugen kann : er führt zu einem Motivationsschub für den Erwerb einer Fremdsprache , wenn man als Lernender die Erfahrung machen kann, dass tatsächlich mit der neuen, noch unvollkommen erworbenen Fremdsprache mit Sprechern dieser Sprache kommuniziert werden kann (vgl. Steinig et al. 1999).
Bisher gibt es kaum Untersuchungen zur Chatkommunikation im fremdsprachlichen Kontext. Vor allem Untersuchungen zu muttersprachlichen Chats haben auf die Hybridität der Sprache im Chat hingewiesen, die sowohl sprechsprachlich als auch schriftsprachlich konzipiert ist. Aus fremdsprachendidaktischer Pespektive wäre es interessant zu untersuchen, ob die Sprache der Teilnehmer in einem Chat, der in der Fremdsprache stattfindet, ähnliche Merkmale aufweist.
Noch ist das Fremdsprachenlernen mit den neuen Medien relativ neu, aber die jüngsten Entwicklungen deuten zumindest die Möglichkeit zur positiven Beantwortung von Röslers Frage an:
"(...) inwiefern es einmal möglich sein wird, daß per virtueller Realität auch ein sich physisch außerhalb des zielsprachigen Raums aufhaltender Lernender die Zielsprache in einer quasi-natürlichen, reichen Sprachumgebung lernt, dabei aber im Paradigma des gesteuerten Lernens bleibt, so daß er nichts oder nur wenig von den Nachteilen des natürlichen Zweitspracherwerbs mitbekommt, wie sie in der Migration überall da, wo Zweisprachigkeit nicht glückt, zu beobachten sind?" (Rösler 2000: 122. Vgl. auch Wode 1993: 33ff.).
Der Distanzsprachkurs für Deutsch als Fremdsprache, um den es im Folgenden gehen soll, wurde von Oktober 2000 bis Mai 2001 zwischen einer Berliner Universität und dem wirtschaftsjuristischen Fachbereich einer schwedischen Universität durchgeführt. Ziel war es von seiten des Fachbereiches an der schwedischen Universität, Studierenden des ersten Studienjahres einen studienbegleitenden Sprachunterricht zu ermöglichen. Der reguläre Sprachunterricht findet an dem Fachbereich erst ab dem 2. Studienjahr statt. Da die Deutschkenntnisse etlicher Studienanfänger nicht den Anforderungen der Institution entsprachen und in der bis dahin geltenden Studienordnung am schwedischen Fachbereich kein Sprachunterricht für das erste Studienjahr vorgesehen war, hatte man sich entschlossen, den Sprachunterricht per Distanz über einen Fernlernkurs anzubieten. Dieser sollte vor allem als Vorbereitung auf die fremdsprachlichen Anforderungen im 2. Studienjahr dienen.
Angeregt durch die aktuellen Diskussionen über die Einbeziehung der neuen Medien in den Sprachunterricht bot sich die Chance zu überprüfen, ob und inwiefern ein Sprachfernunterricht eine sinnvolle Ergänzung zum Präsenzunterricht sein kann. Bedingt durch institutionelle Zwänge in dem vorliegenden Beispiel konnte der Fernunterricht kein Komplement zu einem Präsenzsprachunterricht darstellen, der ja zu gleicher Zeit hätte stattfinden müssen, sondern musste jenem vorausgehen. Das bedeutete aber auch, dass die reine Distanzkomponente des Sprachunterrichts etwas völlig Neues darstellte: für die Institution, für die Kursleiterin und für die Teilnehmer.
Für mich als Kursleiterin, die vor allem Erfahrungen im Präsenzsprachunterricht hatte, bot sich darüber hinaus die Möglichkeit, Sprachunterricht in einer veränderten Lernumgebung durchzuführen und zu beobachten. Für die Lerner bedeutete es auch erstmalig, in einer für sie neuen Lernumgebung außerhalb des Klassenzimmers, einzeln am Computer sitzend, Fremdsprachenunterricht zu erhalten. Neben der Frage, wie die reichhaltigen Sprachressourcen im Internet didaktisch für den Fernunterricht für eine bestimmte Zielgruppe genutzt werden können, war natürlich auch die linguistische Perspektive von großem Interesse, ob computerunterstützter Sprachunterricht, der sich einiger Kommunikationspotentiale des Internets bedient, einen kommunikativen Mehrwert erzeugt.
Diesem Kurs war ein Probefernkurs vorangegangen, in welchem vor allem überprüft werden sollte, wie die Lerner sich in der neuen Lernumgebung verhalten, wie sie im Fernunterricht im Gegensatz zum Präsenzunterricht agieren und wie sie ohne permanente Außenkontrolle ihren eigenen Lernprozess organisieren. So sollte der Probekurs vor allem veranschaulichen, welche Konzeption der Kurspräsentation und Kursarbeit zwischen der in Deutschland tätigen Sprachlehrerin und den in Schweden studierenden Teilnehmerinnen sich als sinnvoll umsetzbar in dem beschriebenen Rahmen erweisen könnte. Es wurden verschiedene Lernszenarien für den Distanzunterricht erprobt (E-Mail-Sitzungen, Chatsitzungen, Telefonkonferenz), in deren Folge sich die Einrichtung eines Chatroomes als das Praktikabelste erwies, da er kostengünstig ohne großen technischen Aufwand regelmäßige "virtuelle" Treffen aller Teilnehmer/innen des Kurses ermöglichte.
An dem Fernkurs des Studienjahres 2000/2001 nahmen 7 Studierende teil. Sie befanden sich im 1. Studienjahr der Fachrichtung Wirtschaftsrecht. Bei allen Teilnehmerinnen war der Fremdspracherwerb für Deutsch in der Schule erfolgt, Deutsch wurde als 2. Fremdsprache nach Englisch erlernt. Die Muttersprache war Schwedisch. Da alle Kursteilnehmerinnen ca. 3 bis 5 Jahre Deutschunterricht in der Schule gehabt hatten, konnte man davon ausgehen, dass sie über eine mittleres Sprachniveau in der Zielsprache verfügten. Keine der Teilnehmerinnen hatte Distanzlernerfahrungen. Vor dem Kurs fand kein Treffen zwischen der Sprachlehrerin und den Kursteilnehmerinnen statt, allerdings kannten sich die Studierenden.
Da die technische Einbindung des Kurses auf der Homepage des Institutes bereits erfolgt war, wurden Modifikationen bei den Kursanforderungen und den Kursinhalten, die im Verlauf des Kurses notwendig schienen, sukzessive vorgenommen.
Neben einer Wiederholung von grammatischem Grundwissen, wurde vor allem angestrebt, die Textverstehenskompetenz in der Fremdsprache zu erweitern, alsoTexte in der Fremdsprache zu lesen und inhaltlich zu bearbeiten, sodass Lesen und Schreiben zu den sprachlichen Haupttätigkeitendes Kurses gehörten. Ziel der regelmäßigen Chatsitzungen war es, die Möglichkeiten einer virtuellen Kommunikation auszuloten, um sie im Sinne eines Fernkonversationsunterricht nutzbar zu machen.
Der Kurs war als eine strukturierte HTML-Umgebung auf der Homepage des Instituts eingebunden. Die Startseite des Kurses bot neben dem eigentlichen Unterrichtsplan Recherchemöglichkeiten zu wirtschafts- und rechtswissenschaftlichbezogenen Themen sowie zu landeskundlichen Quellen in der Zielsprache an. Verschiedene Sprachübungstypen (mit automatischem Korrekturfeedback) für Deutsch als Fremdsprache waren auf dieser Seite ebenso verlinkt wie eine deutsche online-Grammatik und eine deutsche Grammatik mit schwedischen Erklärungen. Von der Startseite aus gelangten die Teilnehmer zur eigentlichen Unterrichtsseite, auf der sich der Kursplan befand. Der Kursplan war thematisch in 10 Wochen aufgegliedert und stellte für jede Woche sowohl ein Textthema als auch ein Grammatikthema mit dazugehörigen Aufgaben bereit. Die Textbasis bildeten landeskundliche Texte von Inter Nationes, die didaktisch aufbereitet im Internet zur Verfügung gestellt werden. Da es sich dabei um Unterrichtsvorschläge handelt, die für den Gruppenunterricht im Präsenzunterricht konzipiert werden, wurden die Arbeitsaufgaben für den Distanzunterricht modifiziert.
Das jeweilige Wochenthema bot die Grundlage für die Chatdiskussionen. Da auch das fremdsprachliche Schreiben ein Kursziel darstellte, wurden zu einzelnen Themen auch Schreibaufgaben gestellt. Die Korrekturen der Aufgaben mit individuellen Kommentaren wurden per E-Mail an die Teilnehmenden geschickt. Die Kursaufgaben waren obligatorisch für alle Teilnehmerinnen.
Die 10 Kurswochen wurden zwischen Oktober 2000 und Mai 2001 Jahres absolviert. Neben den zu bearbeitenden Aufgaben, die der Kursleiterin regelmäßig zur Korrektur zugesandt wurden, kam es ca. alle 2 bis 3 Wochen zu einem Chattreffen von ca. 3 Stunden. Jeder Kurswoche war eine Chatsitzung zugeordnet, sodass es zu 10 Chattreffen zwischen der Tutorin und den Fremdsprachelernerinnen innerhalb eines Zeitraumes von ca. 5 Monaten kam. Die Chattreffen fanden als Gruppensitzungen statt, d. h. dass alle Teilnehmer sich zur gleichen Zeit im Chatroom befanden, der in Anlehnung an Steinig et al. als didaktischer Chatroom fungierte(vgl. Steinig et al. 1998).
Steinig et al. hatten so genannte didaktische Chaträume für die deutschen und ungarischen Studierenden zweier Seminare eingerichtet, in denen die sprachlich gemischten Gruppen elektronische Schreibgespräche auf Deutsch über die Fortsetzung einer Geschichte führten. Diese Chatgespräche wurden allerdings nicht tutoriell gelenkt. Der Chatroom in dem hier beschriebenen Fernlernkurs fungierte dagegen im Sinne eines virtuellen Klassenzimmers, in dem sich alle Teilnehmerinnen des Kurses zur gleichen Zeit befanden und die Sprachlehrerin die Moderation des Chatgespräches übernahm.
Vor, während und nach Abschluss des Kurses wurde jeweils eine schriftliche Befragung durchgeführt. Diese sollten, auf den bisherigen Sprachlernerfahrungen der Teilnehmenden aufbauend, erfassen, ob und wie sich das Sprachlernverhalten der Teilnehmerinnen während des Fernsprachkurses verändert. Dazu gehörten neben den Selbsteinschätzungen der Kursteilnehmerinnen, auch Fragen nach dem strategischen Umgang mit dem Kursmaterial und dem Aufbau neuer Lern- und Arbeitsroutinen. Nach Abschluss des Kurses kam es zu der ersten "realen" Begegnung zwischen der Kursleiterin und den Teilnehmerinnen. Bei dieser Begegnung wurden mündliche Einzelinterviews durchgeführt.
Anhand der Fragebögen und der mündlichen Interviews sowie der Beobachtungen während des Kurses soll nun der Distanzkurs bezüglich vermittelter Inhalte, Aufgabenstruktur und Lernschwierigkeiten evaluiert werden. Anhand der Chatprotokolle und aller schriftlichen Arbeiten der Kursteilnehmerinnen soll untersucht werden, ob es sprachliche Veränderungen gibt. Die schriftlichen Arbeiten der Kursteilnehmerinnen sollen dahingehend mit den Chatgesprächen korreliert werden, inwiefern die "Chatsprache" die Hybridität von mündlicher und schriftlicher Sprache im Gegensatz zu den rein schriftsprachlichen Produktionen der Teilnehmerinnen in der Zielsprache zeigt. Es ist geplant aus diesen Daten dann methodologische und linguistische Implikationen für die Konzeption des folgenden Sprachfernlernkurses abzuleiten.
Grundsätzlich wurde dieser Fernunterricht von allen Teilnehmerinnen positiv eingeschätzt. Sowohl die Themen als auch die grammatischen Schwerpunkte erwiesen sich als zielgruppenrelevant. Als größter Vorteil wurde die Möglichkeit, virtuell mit einem Vertreter der Zielsprachenkultur in "Echtzeit" wie in einem realen Gespräch zu kommunizieren, gewertet.
Waren anfangs die Teilnehmerinnen noch stärker auf die Arbeit an Grammtikübungen fixiert, was auch nach ihren eigenen Aussagen ihren Lernerfahrungen und auch Lernerwartungen im Fremdsprachenunterricht entsprach, so waren sie am Ende des Kurses der Meinung, am meisten von den Diskussionen im Chatroom bezüglich ihres Fremdsprachenlernens profitiert zu haben.
Hatten zwei der Teilnehmerinnen bei der Anfangsbefragung ihre größten Schwierigkeiten im Deutschen beim Sprechen gesehen, so äußerten einige am Ende des Kurses, dass sie "tatsächlich das Gefühl hatten, in den Chatsitzungen geredet" zu haben.
Neben technischen Schwierigkeiten wegen Netzzusammenbruchs wurde von einigen Teilnehmerinnen allerdings zum Teil das Tempo der Chatgespräche als problematisch eingeschätzt. Das war natürlich auch der Tatsache geschuldet, dass das Chatgespräch in der Fremdsprache stattfand, ohne Referenz auf die Ausgangssprache. So musste nicht nur eine fremdsprachliche Verstehensleistung erbracht werden sondern auch eine fremdsprachliche Schreibleistung, die natürlich das Tempo des Gesprächsverlaufes im Chat sehr beeinflusste.
Lese-und Schreibtempo sind natürlich beim Fremdsprachenlerner verlangsamt, was Konsequenzen für das Chatgespräch hat. Das bestätigen auch Steinig et al. in ihren Beobachtungen. Doch obwohl die Schreibgeschwindigkeit bei L2-Schreibern nur halb so hoch wie bei Muttersprachlern ist, bevorzugen Lernende das schriftliche Medium weil es u. a. auch die Möglichkeit zur Revision bietet im Gegensatz zum rein Mündlichen.
So stellten die Autoren in ihrem Schreibprojekt fest, dass den Fremdsprachenlernern im Chat neben dem Schreibmodus aber auch die zur kognitiven Verarbeitung notwendigen Lesestrategien zugute kommen:
"Sie müssen nämlich auch nach einem raschen, orientierenden Lesen ständig Relevanzentscheidungen treffen, in die Faktoren wie Dringlichkeit, eigenes Interesse und die Stärke des Aufforderungscharakters einer Äußerung gehen. Kommen zu viele Beiträge in rascher Folge mit häufig wechselnden und nicht immer eindeutigen Wünschen an einzelne Teilnehmer in der chat-Runde, kann es leicht zu Unsicherheiten und - besonders bei fremdsprachigen Teilnehmern - zu einer Überforderung kommen, ..." (Steinig et al. 1998: 23).
In den mündlichen Interviews (die noch nicht detailliert ausgewertet sind) wurde verschiedentlich geäußert, dass das Chatmedium sogar motivierend auf das Kommunikationsverhalten gewirkt hatte. Einige äußerten die Vermutung, im Chat weniger Scheu zu haben zu kommunizieren als in der Direktkommunikation.
Die Chattreffen fanden in etwa zweiwöchigen Abständen statt. Der Chatraum war nur den Teilnehmerinnen des Fernkurses zugänglich. Die Chatsitzungen waren das Forum, in welchem sich die gesamte Gruppe traf, sodass sich also immer sechs oder sieben Fremdsprachenlernerinnen und die Kursleiterin gleichzeitig im Chatroom befanden. Die Sitzungen dauerten in der Regel ungefähr 3 Stunden. Bis auf wenige Ausnahmen nahmen die Teilnehmerinnen alle vom häuslichen Computer aus an den Chattreffen teil.
Da noch keine detaillierte Analyse der Chatprotokolle erfolgt ist, sollen im Folgenden nur einige besondere Auffälligkeiten exemplarisch dargestellt werden. Grundsätzlich fällt in den meisten Chatgesprächen auf, dass die Teilnehmerinnen insofern dem Schreibmodus unterliegen, als sie sich um vollständige Sätze bemühen.
Probleme tauchen überwiegend im grammatischen Bereich auf: im Genus- und Kasusbereich und im Numerusbereich. Die Verbfinitletztstellung und die Verbseparation im Deutschen stellen für den Lerner Probleme dar, die sich in allen Chatgesprächen beobachten lassen. Bei hypotaktischen Sätzen überwiegen konjunktional eingeleitete Nebensätze und Relativsätze, wobei aufgrund der Probleme im Genus- und Kasusbereich auch häufig das falsche Relativpronomen gewählt wird. Auch das konjunktionale "dass" bereitete Schwierigkeiten während des gesamten Kurses, scheint jedoch kein logisches Problem, sondern ein orthographisches zu sein. Satzabbrüche wie in der mündlichen Sprache waren kaum zu beobachten.
Die grammatischen Fehlerschwerpunkte dominieren auch in den schriftlichen Lernerproduktionen. Hier treten noch besonders deutlich Probleme bei der Substantiv-Verb-Kongruenz sowie fehlerhafte Verwendung von Modalverben hinzu. Interlinguale morphologische Interferenzen sind besonders für den Artikelgebrauch festzustellen: zwei Genera im Schwedischen stehen drei im Deutschen gegenüber. Fehler aus dem lexikalischen Bereich entstehen häufig durch Interferenz mit der Muttersprache.
Der folgende Chatausschnitt kann allerdings als Indiz dafür dienen, wie sehr, unabhängig von sprachlichen Defiziten, regelmäßige Chatsitzungen doch das kommunikative Verhalten beeinflussen. Die Chatgespräche waren im Laufe der Zeit immer "intensiver" geworden: sowohl was die Länge der Beiträge betraf, als auch die Themenbearbeitung. Obwohl hier natürlich bis zur letzten Sitzung die stärkeren Fremdsprachenlernerinnen die Gespräche dominierten, so war doch zu beobachten, dass auch die schwächeren Lernerinnen zunehmend mehr Beiträge lieferten.
Zu diesem Termin nahmen nur noch 6 Studierende an dem Fernkurs teil, eine Teilnehmerin war erkrankt. Es handelt sich um die 8. Chatsitzung, demzufolge sind die Teilnehmerinnen mit dem Medium vertraut.
1.Teil: Zeile 1-33; 12-minütige Gesprächssequenz
2. Teil: Zeile 34-56; 14-minütige Gesprächssequenz
5 Teilnehmerinnen: T, C, r, S, Ri (Ri ist zwar im Chat, liefert aber keine Beiträge)
L= Kursleiterin, Muttersprachlerin
Das Thema der Chatsitzung war durch seine Alltagsrelevanz für die Teilnehmerinnen interessant. Es wird eine lebhafte Diskussion zwischen den Teilnehmerinnen geführt, die Kursleiterin äußert sich in dem gesamten Ausschnitt achtmal, was in Anbetracht der Gesamtäußerungen (56) als relativ zurückhaltend angesehen werden kann. Die Äußerung 2-4 gehören nicht in den thematischen Rahmen. Vor dem thematischen Wechsel waren organisatorische Fragen, den weiteren Kursverlauf betreffend, besprochen worden. Die Äußerungen in Zeile 2 - 4 beziehen sich auf den vorhergehenden Gesprächsabschnitt. Wo bedeutet Woche. Erst in Zeile 5 wird auf die Frage aus Zeile 1 Bezug genommen.
(1) 10:07:21 L: So nun zum heutigen Text: Ladenöffnungszeiten in Deutschland. |
(2) 10:07:46 T: Wir sollen also Wo 8 und Wo10 bis nächste Mal machen? |
(3) 10:08:21 L: Wo 8 bis 16.3., Wo 10 bis 30.3. |
(4) 10:08:39 T: Danke. |
(5) 10:09:56 C: Sonntags macht frei finde ich. |
(6) 10:10:32 C: Warum sollen die Laden auch am Sontag geöffnet werden? |
(7) 10:11:12 T: Ich habe nicht verstanden, warum durfen die Geschäfte nicht öffnet sein? |
(8) 10:11:17 L: Sollen die Geschäfte sonntags geöffnet sein? |
(9) 10:11:41 C: Nein, nicht immer. Nur manchmal. |
(10) 10:11:44 r: ja das verstehe ich auch nicht. Ich finde auch das die Laden am Sonntags geschlossen sollen sein. |
(11) 10:12:14 S: Wir sind nur frei am Wochende,dann mu¨ssen die Laden öffnet haben |
(12) 10:12:35 T: Ich mache gern meine Einkaufen an die Wochenende |
(13) 10:12:45 C: Aber dann hat man Zeit am Samstag finde ich. |
(14) 10:13:03 L: Wie ist das in Schweden? |
(15) 10:13:17 S: So alle sollen am Samstag einkaufen? |
(16) 10:13:32 C: Nicht Sonntagsgeöffnet, nur |
(17) 10:13:51 T: In Schweden gibt es keine Gesetze für das, glaube ich. |
(18) 10:14:25 T: Siba und Onoff haben ja Sonntags öffnet. |
(19) 10:14:32 r: Ich meine die Kleidergeschäfte nicht die Essengeschäfte. |
(20) 10:14:33 C: Nur bevor Weinnachten. |
(21) 10:15:04 C: Ja, und Tornby und Ikea. |
(22) 10:15:32 L: Welche Geschäfte haben sonntags in Schweden und Finnland geöffnet? |
(23) 10:15:39 S: In die grössere Stäter ist es immer Sontagöffnet |
(24) 10:16:01 C: Grosse Einkaufszentrumen |
(25) 10:16:32 T: Wenn IKEA am Sonntags geschlossen war, sollt es Kaos am Samstag werden :-) |
(26) 10:16:39 r: Ich finde es gut wie es jetzt hier in Schweden ist. |
(27) 10:17:06 C: Ich finde wie R. |
(28) 10:17:41 T: Es ist nur "Systembolaget" die nicht am Wochenende erlaubt ist öffnet zu sein. |
(29) 10:17:41 L: Und wie findet ihr die Ladenzeiten in Deutschland? |
(30) 10:18:04 T: Verrückt! |
(30) 10:18:13 C: Grosse Einkaufszentrum kann geöffnet sein aber im Stadzentrum ist es ganz gemütlich am Sonntags weil nur Cafees und Restaurangs sind geöffnet. |
(32) 10:18:18 r: haha das ist korrekt T. Ich glaube ich reut mich. |
(33) 10:18:59 T: reut? |
2. Teil |
(34) 10:26:01 L: Die Gewerkschaften in D. fordern, dass an einem Tag die Geschäfte geschlossen sind, weil sonst "die Familien" zu sehr belastet sind. Was meint ihr dazu? |
(35) 10:26:54 C: Das finde ich gut. |
(36) 10:28:00 T: In Schweden haben wir statt Gesätze von Arbeitszeiten. Dann kann ein Person Montags-Dienstag frei sind, und die Wochenende arbeiten. |
(37) 10:28:31 C: Die Familie braucht Zeit zusammen. Vielleicht einen Ausflug machen oder etwas |
(38) 10:29:19 T: Es gibt ja aber Studenten, die Arbeiten möchten um Geld zu verdienen. |
(39) 10:30:33 L: Was meint ihr zu dem Argument: wenn einige Läden sonntags geöffnet sind, müssen die anderen auch öffnen aus Konkurrenzgründen. |
(40) 10:31:17 T: C., Oft machen die Familien Ausflüge in der Stadt, Einkauf zu machen :-) |
(41) 10:31:50 C: Für die Geschäfte handelt alles um Konkurrenzen. |
(42) 10:32:06 r: ja, das glaube ich stimmt. |
(43) 10:32:23 C: Ja, aber ist es nicht gemåutlicher mit einem richtig Ausflug aus dem Land zum Beispiel? |
(44) 10:32:28 T: C., finde ich auch. |
(45) 10:33:27 T: C., nicht für die Familien die auf dem Land wohnt. Sie möchten gern in die Stadt fahren. |
(46) 10:33:32 C: Es kommt immer neue Geschäften und zu weiterleben muss man den Konkurrenz schaffen. |
(47) 10:33:42 r: Die konkurrenzen ist sehr wichtig. |
(48) 10:33:59 C: Ja, das stimmt, aber dann gibt Samtags. |
(49) 10:35:35 L: Pro und kontra: welche Argumente gibt es für (Läden immer geöffent) welche Argumente dagegen (sonntags geschlossen). |
(50) 10:37:04 r: ich glaube das die meisten Geschäfte bald auch in Schweden am Sonntags geöffnet haben will. |
(51) 10:37:16 C: Sonntag hat immer eine "Ruhe" Tag gewesen. |
(52) 10:37:34 T: Vor : Nicht so lange Reihe in den Geschäften |
(53) 10:38:44 T: Vor: Mann kann selbst wählen wenn mann in die Stadt fahren sollen. |
(54) 10:39:12 T: Wann....nicht wenn. |
(55) 10:39:42 C: Für viele Leuten ist Sonntag "heilig" |
(56) 10:40:05 C: Man kann nach andere Städten fahren. |
Vor allem T und C leisten in diesem Gesprächsabschnitt die meisten Redebeiträge, wobei T. die komlexeren Sätze bildet. R äußert sich 7-mal und S. sogar nur 4-mal. Dem stehen 17 Äußerungen von T. und 19 Äußerungen von C. gegenüber.
Die erste sprachliche Schwierigkeit tritt in Zeile 5 auf bei der Äußerung von C: durch die fehlerhafte grammatische Struktur wird nicht klar, was C. eigentlich sagen will.
Obwohl sich die Gesprächsteilnehmerinnen bemühen, vollständige Sätze zu bilden, treten hier die größten Probleme auf.: Z 25; Z 28; Z 31; Z 36; Z 40; Z 46; z 50; Z 53.
Oft stehen nicht die einleitenden Konjunktionen für Nebensätze zur Verfügung, was zu Wortstellungsfehlern im Nebensatz führt. Ebenso der Konjunktiv (der zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeführt wurde) stellt neben den schon erwähnten Fehlern eine häufige Fehlerquelle dar..
Auch der technische Aspekt des Kommunikationskanals spielt eine Rolle.
C. ist offensichtlich in Zeile 16 auf der Suche nach einem Wort ist, dass sie dann in Zeile 20 äußert. Da es sich dabei um eine Minute Zeitdifferenz handelt, ist nicht ganz klar, ob nicht auch ein technischer Grund für die verspätete Äußerung vorliegt.
Ab Zeile 9 entwickelt sich dann ein Gespräch zwischen den Teilnehmerinnen, dass zunächst nicht durch die Frage von L. in Zeile 14 unterbrochen wird, da die Äußerungen 15 - 17 zeitlich zu nah hintereinander erscheinen. In einer Direktkommunikation kämen die Gesprächsteilnehmer durch den Einsatz parasprachlicher Mittel vermutlich einer solchen Äußerungshäufung zuvor. Äußerung 15 bezieht sich auf Äußerung 10 und die Äußerung von C (Zeile 16) bleibt unklar. R konkretisiert ihre Meinungsäußerung von Zeile 10 erst in Zeile 19, ca. 3 Minuten später. Das zeigt, dass die schwächeren Fremdsprachlernerinnen in größeren Chatgruppen mehrere Probleme zu bewältigen haben: sie müssen höhere Investitionsleistungen für das fremdsprachliche Leseverstehen und das fremdsprachliche Schreiben aufbringen, was sie Zeit kostet. Beim turn taking unterliegen sie demzufolge häufig. Die Kursleiterin versucht so wenig wie möglich einzugreifen. Der Sprecherwechsel geht regelmäßig vonstatten zwischen den beiden stärkeren Lernerinnen, wobei T. offensichtlich dazu in der Lage ist,viel schneller auf neue Äußerungen zu reagieren als die anderen wie in Z. 17 und 18, wo sie erst auf das Thema vor Zeile 8 (und auch auf den dem Chat zugrundeliegenden Text referiert) um dann in Z 18 auf die Nachfrage von Z. 14 einzugehen.
Äußerungen wie :
Ich meine die Kleidergeschäfte nicht die Essengeschäfte. (19)
Aber dann hat man Zeit am Samstag finde ich. (13)
haha das ist korrekt T. Ich glaube ich reut mich. (32)
C., finde ich auch. (44)
können wohl eher dem mündlichen Bereich zugeordnet werden und zeigen, dass das Chatten wirklich auch ein Plaudern ist.
Auch ohne bisherige detaillierte Auswertung der einzelnen Daten lassen sich bereits einige Erkenntnsse aus dem ersten Jahr dieses Fernlernkurses ableiten. Beim Vergleich des ersten mit dem letzten Chatprotokoll fällt auf, dass sich die Teilnehmerinnen kommunikativer verhalten. Es kommt zu häufigeren Sprecherwechseln unter den Teilnehmerinnen und auch zu mehr Äußerungen in der vergleichbaren Zeit. Die Teilnehmerinnen werden zunehmend von der tutoriellen Lenkung unabhängig, was sich darin zeigt, dass sich die Gesprächsmuster verändern: die anfängliche gesprächsinitiierende Domninanz der Tutorin nimmt während des Kuses ab, häufig werden die Themenwechsel nun von den Teinlnehmerinnen initiiert. Auch verschiedene Arten von Korrekturverhalten sind zu beobachten. Die selbstinitiierten Selbstkorrekturen nehmen im Verlauf der Chatsitzungen zu, was vermutlich dem Schreibmodus im Chat zuzuordnen ist. Noch interessanter sind hingegen die fremdminitiierten Selbstkorrekturen, die sich im Laufe des Kurses immer stärker zwischen den Tielnehmerinnen beobachten lassen. Sie dienen nicht nur dazu, Missverständnisse im Chatgespräch zu vermeiden bzw. zu klären, sondern zeigen auch die veränderte Rolle der Gesprächsteilnmehmerinnen, die zunehmend die Verantwortung für den Gesprächsverlauf übernehmen. Das zeugt zum einen davon, dass dieses Medium den Teilnehmerinnen mittlerweile vertraut ist, und zeigt, dass sich ein Chatroom im Sinne eines fremdsprachlichen "Konversationsraumes" durchaus für den Distanzsprachenunterricht nutzen lässt. Problematisch wird es bei heterogenen Lernergruppen. So führt zwar der hohe kommunikative Aufforderungscharakter im Chat zu rascheren und spontaneren Äußerungen als beim herkömmlichen Schreiben auf Papier (Steinig et al. 1998: 23), aber dadurch, dass die Lernenden ihre fremdsprachlichen Äußerungen genauer kontrollieren, kommt es zu Verzögerungen, die sich für schwächere Fremdsprachenlerner darin auswirken, den Gesprächsfaden zu verlieren bzw. nur noch den Chat mitzulesen, aber kaum noch Gesprächsbeiträge liefern zu können. Das hohe Tempo des Chatgespräches für einige Teilnehmerinnen, sowie Überlappungen von Äußerungen druch die technische Übertragung können zu Themenunterbrechungen und -abbrüchen führen und den Gesprächsverlauf während des Chats unübersichtlich werden lassen. Eine zu starke Lenkung von seiten der Tutorin, die an diesen Stellen eingreifen könnte, scheint aber unter dem Ziel, die Konversation nicht zu häufig zu unterbrechen, kaum wünschenswert.
Für Studienanfänger/innen kann dieser Fernlernkurs ohne eine einführende Präsentationsphasedurch die Kursleiterin leicht zu einer Überforderung führen. Um den Zeitaufwand für die Lernenden und den Korrekturaufwand für die Tutorin in einem vertretbaren Rahmen zu halten, sollte man sich auf bestimmte sprachliche Tätigkeiten konzentrieren. Steht eher die Grammatikarbeit im Vordergrund, bietet es sich an, mit Studienanfängern zu arbeiten, steht die fremdsprachliche Konversation im Vordergrund ist es mitunter fruchtbarer mit Studierenden aus höheren Semestern zu arbeiten. Die Dauer der Chatgespräche sowie die Anzahl der Teilnehmer/innen sind wichtige Aspekte. Für Fernlernanfänger/innen dürften sich nicht nur kürzere Chatzeiten empfehlen, sondern auch kleinere Gruppen von ca. 3 Teilnehmer/innen. Das ermöglicht es auch den schwächeren Fremdsprachenlernern, sich häufiger zu äußern und könnte zudem den Vorteil bieten, die Gruppenzusammensetzungen zu variieren.
Zweifellos würden zusätzliche One-to-One-Chats zu den Gruppenchats eine Bereicherung für die Ausbildung der kommunikativen Kompetenz dastellen, sind aber organisatorisch schwer zu ermöglichen. Nicht zuletzt könnten Ausschnitte aus den Chatgesprächen eventuell in einer korrigierten Fassung den Teilnehmerinnen zur Verfügung gestellt werden. Das positive Feedback der bisherigen Teilnehmerinnen des Fernkurses lässt darauf schließen, dass es sich lohnt, in dieser Richtung weiterzuarbeiten.
1 Im Folgenden werde ich nur noch die Schreibung "DaF-Unterricht" verwenden. [zurück]
2 Da es sich um sechs Frauen und nur einen Mann handelte, wähle ich aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung die weibliche Form. [zurück]
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